Strandspaziergangreisegedanken

Strandspaziergangreisegedanken

Wie fühlt man sich am Anfang so einer langen Reise, hat mich eine Freundin per Mail gefragt. Lieben Dank dafür, die Frage hätte ich mir nicht gestellt und dann natürlich auch nicht beantwortet. Die kurze Antwort: total unterschiedlich. Die lange kommt hier.

Zuhause war ich abwechselnd vorfreudig aufgeregt, angespannt, gelassen, nervös oder abenteuerlustig. Aber wirklich fassen, dass wir drei Monate unterwegs sein werden, konnte ich nicht.

Auf der Zugfahrt nach Amsterdam habe ich zwar öfter gesagt, „jetzt geht sie los unsere Reise“, angefühlt hat es sich aber wie: wir fahren für eine Woche auf Städtereise. Kein großes Ding.

Allerdings hätten wir für „nur“ eine Woche Städtereise keine Privatwohnung über airbnb gebucht. Das Wohnen war also schon mal anders, angefühlt hat es sich wie in einen Teil des Lebens von jemand anderem einzutauchen.

Hester, in deren Wohnung wir in Amsterdam gewohnt haben, ist Designerin und mit einem Mann aus der Sahara verheiratet. Beides spiegelt sich in ihrer Wohnung wider, beides ist mir angenehm fremd. Wir beschließen: zuhause wird entrümpelt, wir möchten auch klarer und übersichtlicher leben.

Aus Amsterdam fahre ich mit dem Gefühl, dass es gut ist, dass wir weitereisen. Ich war lange genug da, um einen ersten Eindruck von der Stadt zu bekommen. Vertiefen muss ich diesen Eindruck nicht. Die Stadt hat viele niedliche alte Häuser und enge Gassen. Für mich zu süß. Zu museumsartig. Zu voll mit Menschen.

Beim Kofferpacken verfluche ich unsere „wir-nehmen-ganz-wenig-Gepäck-mit“-Challenge, weil ich in Amsterdam meine Reisegarderobe um drei Teile ergänzt habe und nur ein Paar Schuhe dort gelassen habe. Ich muss meinen handgepäckgroßen Koffer mehrmals umpacken bis er zu geht. Auf dem Weg zum Bahnhof bin ich dann wieder sehr froh über das kleine Gepäck.

In Rotterdam wohnen wir mitten im Zentrum, mitten in einer der belebtesten Straßen, im dritten Stock in der Wohnung eines jungen Paars. Ich fühle mich gleich heimisch. Vielleicht liegt es daran, dass das Wohnzimmer in genau dem gleichen rot wie unseres gestrichen ist und eine Wand im Schlafzimmer genauso froschgrün wie unsere Küche ist.

Rotterdam finde ich toll. Hinter jeder Straßenecke sieht das Stadtbild anders aus. Ganz wenige alte Häuser mischen sich mit ganz vielen neuen (Hoch-)Häusern, die nicht immer schön aussehen, aber dafür interessant. Besonders faszinierend finde ich De Rotterdam, ein gigantisches Arbeits-und Wohnhochhaus am Ufer der Nieuwe Maas.

In Rotterdam wäre ich gerne noch geblieben. Ich mag wie die Stadt sich anfühlt. Ich mag die Gelassenheit der Radfahrer, die farbenfrohe Kleidung, die ich an den Menschen und in den Geschäften sehe. Ich mag die frische Brise, die von der Nieuwe Maas durch die Stadt weht. Ich mag die Aufbruchstimmung der Stadt.

Kurz überlege ich sogar, wie es wäre, den Rest der Reisezeit zu bleiben. Doch die Weiterreise lockt mit Interessantem und Unbekanntem. Und außerdem kann ich ja mal wieder nach Rotterdam fahren. Und das mache ich auch ganz bestimmt.

Dann Brüssel. Eigentlich nur ein kurzer Stoppover. Damit übernehmen wir gleich die Hektik der Stadt. Wir haken ab: das EU-Parlament, den Place de Lux, den Centralmarkt. Der geplante Besuch beim Atomium fällt aus, 26 Grad brütende Hitze schaffen mich einfach.

Unser Hotelzimmer ist angenehm kühl und übersichtlich und neutral, was ich nach dem Eintauchen in die Wohnungen anderer Menschen als sehr entspannend empfinde. Am nächsten Morgen nehmen wir uns Zeit für einen äthiopischen Espresso und einen Americano im Café Aksum bevor wir mit der Bahn an die belgische Küste fahren.

Als wir dort aus dem Zug steigen fühle ich zum ersten Mal, warum Menschen aus großen Städten in die Sommerfrische reisen: eine frische Brise begrüßt uns und es gibt wieder genug Luft zum Atmen.

Jetzt also Durchatmen in De Haan, am Strand suche und finde ich heute Raum und Weite zum Nachdenken und Nachspüren über zwei aufregende Wochen. Ich bin etwas erschöpft, aber glücklich. Die kommende Woche hier bedeutet für mich eine Erholungspause vor den nächsten Stationen und das Ende vom Anfang unserer Reise.

7 Gedanken zu „Strandspaziergangreisegedanken

  1. Hallo,
    Schoen dass Dich meine Frage zu so einem wundervollen Text animiert hat. Nun hab ich ein wenig das Gefühl dabei zu sein. Euch weiter viele tolle Erlebnisse.
    Sabine

  2. Wow, wirklich eine lange sehr schöne Antwort… Dann auf zur Reise, denn der Anfang ist ja jetzt vorbei. Genießt den Strand und die Luft.
    Lg Gabi

  3. Wie toll, auch mal etwas von Rudis Leihmama zu hören! 🙂 Das klingt alles wundervoll. Genau so, wie es sein sollte. Das Ende vom Anfang ist bestimmt nochmal eine ganz spannende Zeit?

  4. Pingback: Ergebnisse der Woche ab dem 2014-05-16 | Iron Blogger Kiel

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